Thomas Lehnerer – Ohne Titel, 1990

Thomas Lehnerer – Figuren

März – April 2013

Zu den für mich persönlich beeindruckendsten Ausstellungen im München der 1980er-und frühen 1990er-Jahre gehören sicher die Präsentationen der Arbeiten von Thomas Lehnerer in der Galerie Dany Keller. Die Unmittelbarkeit seiner Arbeiten zog mich von jeher in ihren Bann. Sie rühren an. 

Aus ungeschlachten Stücken Ton oder Wachs wurden Figuren erschaffen, die in ihrer Rohheit und Nacktheit auf nicht weniger als die eigene Existenz verweisen. Unter der formenden Hand werden sie zu eigenständigen Geschöpfen. Das gilt auch für die Zeichnung, bei welcher der Strich oft erst im Tun sich selbst entdeckt und seine Figurinen andeutet. 

Die Bronzen heißt es im wahrsten Sinne des Wortes zu be-greifen. Der bloße Blick führt bei Lehnerers Plastiken oft in die Irre, und es sind erst die eigenen Hände, die beim Abtasten die vollkommene »Richtigkeit« der Form fühlbar machen. 

Damit soll nicht behauptet werden, dass Lehnerer seine Arbeit aus einem rein momentanen Gefühl heraus entwickelt hätte: Das Gegenteil ist der Fall. Er war ein herausragender Bildtheoretiker, der ab 1992 als Professor für Theorie und Praxis der visuellen Kommunikation an der Gesamthochschule Kassel lehrte. Nicht Beliebigkeit, bloßes Meinen sind hier am Werk, sondern ein Höchstmaß an Reflexion. 

Thomas Lehnerer (1955–1995)
Ohne Titel, 1990
Kugelschreiber und Lavierung auf Papier
29,7 x 20,8 cm