Katharina Daxenberger –Toter Winkel, 2017

Katharina Daxenberger – Symphonie

Januar – Februar 2018

»Katharina Daxenberger übermalt die Hochglanzseiten des Magazins Geo. Ein Akt der Auslöschung, gleichsam ein Palimpsest, für das die Oberfläche des Malgrunds zerstört wird, damit Neues entstehen kann? Wie es die Mönche in ihren mittelalterlichen Skriptorien taten, der Not und dem Glauben gehorchend? Keineswegs. Die Künstlerin bedient sich dieser Seiten, geleitet von der Lektüre der Weltbeschreibungen und der vordergründigen Strahlkraft der Bilder, als Folie, die sie durch Transkription aus ihrer wortreichen Erstarrung und hyperästhetischen Inszenierung befreit. 

Die breiten, zeichnerisch schwungvollen Pinselstriche der Künstlerin sind keine Geste der Überwältigung, vielmehr bestätigen sie, indem sie akzentuieren. Das dunkle, schwarz nuancierte Gerüst der Vertikalen, Wellen und Rocaille lässt Raum für vereinzelte zartfarbige, aber auch schockierend feuerrote Lichtblicke. Es entsteht eine Art dramatisch übersteigerter Raumarchitektur, die an Giovanni Battista Piranesis Carceri, seine imaginären Gefängnisse (des Sehens und Denkens) erinnern. Bei Daxenberger ist das Ergebnis nun weniger bedrohlich als mitreißend. Ihre magazingroßen Blattformate sind aufgeladen mit rahmensprengender Energie. Und zeugen von einem überbordenden, künstlerischen Fundus an Formen, Zeichen und Gesten. Indem sie nicht vollständig verdeckt und den Blick auf den Malgrund partiell zulässt, entsteht eine verblüffende Tiefenwirkung. Wichtiger noch: die starke Bildsprache der Künstlerin – zunächst vielleicht als Gebärde der Abwehr versteifter Zeitgeist-Ästhetik eingesetzt – wird nicht nur zum Instrument der Erlösung, sondern vor allem auch der Aneignung. Mit dieser scheinbaren Verschmelzung gelingt eine geradezu lakonische Metamorphose vom Figürlichen zum Abstrakten, von der Wirklichkeit des Behaupteten, des Geschriebenen und Fotografierten zur Wahrhaftigkeit des Schöpferischen. Die untrennbare Einheit von Vorlage beziehungsweise Medium und Malerei – die Quintessenz dieser Arbeiten – manifestiert sich eindrucksvoll in der an den Rändern hermetisch und malerisch verschlossenen Marriage von Bildträger und Montagekarton. 

Symphonie nennt Daxenberger ihren aktuellen, 15-teiligen Werkblock und will damit auf seine in sich geschlossene, im Farbklang vereinte Komposition verweisen. Auch damit bricht sie den Bann rigider und eindimensionaler Sehgewohnheiten.«

Einführungstext von Annegret Erhard, Katalog Symphonie, München 2018, S. 7

Katharina Daxenberger (geb. 1969)
Toter Winkel, 2017
Acryl auf Zeitschriftenpapier
21,5 x 16,5 cm