Malerei an sich ist nichts anderes als Farbe auf einer Fläche. Uli Zwerenz gehört zu den Künstlern, die sich diese Tatsache bei jedem neu entstehenden Bild wieder vor Augen führen. Bereits eine einzelne Farbe, beispielsweise Rot, hat unzählige Abstufungen von hell-leuchtend bis dunkel-matt. Noch komplexer wird es, wenn auf der Leinwand neben dem Rot eine andere Farbe, beispielsweise Grün erscheint. Die beiden Farben treten in eine Beziehung zueinander. Möglicherweise konkurrieren sie miteinander, oder sie ergänzen sich, steigern ihre Intensität. In dieses unerschöpfliche Reich führen die Bilder von Uli Zwerenz.
Bei jeder Leinwand beginnt das Spiel von Neuem. Deshalb wirken die Arbeiten auf den ersten Blick so unterschiedlich. Zwerenz sucht keinen wieder erkennbaren Stil in seiner Malerei, denn Stil bedeutet immer auch Starrheit, Einschränkung. Statt dessen führt ihn der Weg zu Bildern vo einem Stil, die ihre Kraft aus dem Ursprung der Malerei beziehen. Ursprung ist der Ort, wo kreative Kräfte freigesetzt werden. Die Malerei wird zum Schauplatz schöpferischen Tuns. Der Pinsel wird in Farbe getaucht und beschreibt ein Form. Jeder Malakt ist eine Setzung, eine willkürliche Entscheidung, die andere nach sich zieht. Die einzelnen Elemente werden zu Charakteren, die sich gemeinsam auf der Malfläche organisieren müssen und vom Künstler orchestriert werden. Jedes Bild hat seine Zufälle, schreibt seine eigenen Gesetze, nach denen es gestaltet wird. Uli Zwerenz gelingt es, diese Vielheiten zu einem Ganzen zusammenzufügen. Erst wenn dieser Punkt erreicht ist, ist das Bild vollendet. Eine unmittelbare Präsenz und Wirkung entsteht.
Für den Betrachter wird es hilfreich sein, eine Arbeit länger anzusehen, ihren Verästelungen und kleinen Sensationen nachzuspüren, Zufälliges von bewussten Setzungen zu unterscheiden. Aus der Nähe wirken manche Details wie der Blick durch ein Mikroskop auf Dinge aus der Natur. Aus größerer Entfernung fallen einzelne, archaisch anmutende Formerfindungen ins Auge: ein »Ast«, ein »Kreuz«, ein »dunkles Loch«; diese Elemente haben ihren Ursprung in der Phantasie des Künstlers und manchmal glaubt man in ihnen Versatzstücke der äußeren Welt zu erkennen. Doch es geht Zwerenz nicht um Abbildung und die Formen bleiben auch nur dann erhalten, wenn sie sich in das Bildganze einfügen.
Damit ist nicht gemeint, dass es nur um Harmonie geht. Die Bilder schließen ein Werden und ein Vergehen in sich ein. Schönes und Hässliches kann nebeneinander bestehen. Auch benötigt schöpferische Kraft immer einen Willen zur Zerstörung, denn nur so kann Neues entstehen. Zwerenz wagt im Laufe der Entstehung eines Bildes immer wieder einen Strich, eine Geste, die möglicherweise das ganze Bild zerstört oder es aber bereichert, vielleicht sogar vollendet. Auch für den Künstler ist es nicht vorhersehbar, wie sich ein Eingriff auswirken wird.
Uli Zwerenz
Öl auf Leinwand
2004
80 x 80 cm